Eduard Friedrich Wilhelm Pflüger
Prof. Dr. med. Eduard Friedrich Wilhelm Pflüger, geboren am 7. Juni 1829 in Hanau, war ein über 50 Jahre in Bonn tätiger Physiologe, der mit seiner „streitbaren Gesinnung“ (Edith Heischkel-Artelt) und unorthodoxen Thesenbildung, seinen Irrtümern und wegweisenden Forschungsleistungen die Medizin prägte. – Der Sohn des Kaufmanns, Juristen und Mitglieds des Frankfurter Vorparlaments von 1848 Johann Georg Pflüger, war ein engagierter Demokrat, der 1849 wegen revolutionärer Umtriebe zeitweise im Gefängnis einsaß. Zu diesem Zeitpunkt studierte er in Heidelberg Jura, wechselte aber 1850 nach Marburg, wo er ein Medizinstudium aufnahm, das er später in Berlin fortsetzte. Hier wurde er 1855 bei Johannes Müller mit einer Dissertation über die Funktion des vegetativen Nervensystems promoviert. Anschließend arbeitete er als Assistent unter Emil du Bois-Reymond, bei dem er sich 1858/59 mit „Untersuchungen über die Physiologie des Electrotonus“ habilitierte. Kurz darauf, im Februar 1859, folgte er einem Ruf auf das Ordinariat für Physiologie in Bonn als Nachfolger von Hermann von Helmholtz. Über Jahrzehnte prägte er dort fortan Fakultät und Universität, 1889/90 auch als Rektor. Hatte sich Pflüger fast zwei Jahrzehnte lang mit provisorischen Forschungs- und Lehrstätten begnügen müssen, konnte er ab 1878 über ein als optimal geltendes Institut verfügen. Bis zu seinem Tod am 16. März 1910 nutzte er dieses Umfeld und mied soweit möglich auswärtige Tagungen und Ehrungen. Schon 1868 gründete Pflüger das „Archiv für die gesamte Physiologie des Menschen und der Tiere“, die bald führende physiologische und kurz „Pflügers Archiv“ genannte Fachzeitschrift. Sie wurde zu einem gegen die Aufsplitterung der Physiologie gerichteten Organ, wie sie Felix Hoppe-Seyler mit seiner „Zeitschrift für Physiologische Chemie“ in Abgrenzung zur Biophysik verfocht. Das in seiner Habilitationsschrift erstmals formulierte Pflügersche Zuckungsgesetz war grundlegend für Verfahren der Elektrodiagnose und der Elektrotherapie. Anlass zu teilweise polemischen Auseinandersetzungen mit Friedrich Grohé und Wilhelm Roux waren Pflügers embryologische Forschungen unter anderem zu den Pflügerschen Schläuchen und der Lage des Embryos im Ei. Große Anerkennung fanden hingegen seine Forschungen zum Gasaustausch im Blut und in den Zellen. Er entdeckte die intrazelluläre Atmung (1875), erforschte die sensorischen Funktionen des Rückenmarks sowie die chemische Wärmeregulation und widmete sich – noch vor der Entdeckung des Insulins – der Diabetesforschung, nicht ohne in Konflikt mit deren Pionier Oskar Minkowski zu geraten. Pflüger gehörte mehreren Akademien an, war Träger des Ordens Pour le Mérite und wurde zum Geheimen Medizinalrat sowie zum Ehrenbürger der Stadt Bonn ernannt. Sein Grab auf dem Poppelsdorfer Friedhof ist erhalten. Aus der Ehe mit der 1869 geheirateten Christine Marc gingen drei Töchter hervor.